Bereits am 4. Mai 1897 hatte Kaiserin Auguste Viktoria zur Gründung eines Frauenvereins aufgerufen, als „… schönes Arbeitsfeld für unsere Frauen und Jungfrauen…“ und „…zur praktischen Liebestätigkeit im weitestem Umfange“. Ziel sollte die Errichtung von Gemeindehäusern und die Förderung der Arbeit der Diakonissen in den Gemeinden sein.
Es sollte aber noch 12 Jahre dauern, bis die Gründungsversammlung der Evangelischen Frauen am 3. Februar 1909 im Turnsaal der Gutenbergschule stattfand. Zahlreiche Frauen aus verschiedenen Wiesbadener Gemeinden, so auch aus der Lutherkirchengemeinde, folgten dem Aufruf zur Gründung eines Frauenvereins.
Bereits im März 1909 waren 1000 Mitglieder geworben und es standen genügend Geldmittel für die Existenzsicherung der eingestellten Gemeindeschwestern zur Verfügung. Somit konnte „die ernste Tätigkeit des Auf- und Besuchens, des Pflegens und Stützens der Kranken und armen Gemeindeglieder“ begonnen werden. Im selben Jahr wurde der Verein Mitglied des hessischen Dachverbands der Frauenhilfevereine.
In der ersten Satzung des Frauenvereins von 1910 wird als Ziel angegeben, „eine herzliche, innigere Verbindung der Gemeindeglieder“ anzubahnen, durch
- Gewähren des Unterhalts an Gemeindeschwester
- Einrichten und Unterhalten einer Nähstunde, und
- Wohlfahrtspflege und der Gemeinde dienlichen Veranstaltungen.
Von der „Suppenanstalt“ zur Gemeindeküche
Schon 1911 kam die Trägerschaft für die Kleinkinderschule hinzu und ein weiteres Jahr später die sog. „Suppenanstalt“, die in den 20iger Jahren als Gemeindeküche große Bedeutung erlangte.
Der Frauenverein mischte sich munter ins Gemeindeleben ein, leistete unbürokratische Hilfe in Notsituationen nach dem 1.Weltkrieg und stellte 1925 die erste Frau im Kirchenvorstand der Lutherkirchengemeinde. Man versuchte, den Verein neutral und selbstbestimmt zu führen.
Allerdings konnte man sich der Fremdbestimmung durch das Gedankengut der Nationalsozialisten in der NS-Zeit von 1933 bis 1945 nur schwer entziehen. Besonders der Kindergarten war betroffen, der 1942 durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt übernommen wurde
Nach dem 2.Weltkrieg ließ der Verein die Schwesternstation und den Kindergarten wieder aufleben, richtete eine Nähstube ein und gründete eine Mütterschule, aus der 1958 die Evangelische Familienbildungsstätte hervorging.
Vielfältige Engagements prägten die 60iger und 70iger Jahre. Vor allem unterstützte man den Kindergarten und die Schwesternstation, die jedoch Anfang der 70iger Jahre geschlossen wurde.
Bibeln für China
Mitte der 80iger Jahre stellte die Frauenhilfe eine Altenberaterin für die Gemeinde ein und stellte eine größere Summe für die künstlerische Ausstattung der Lutherkirche zur Verfügung. Der Kauf von Bibeln für China sollte die Verbreitung christlicher Werte in Asien stärken.
Trotz verringerter Mitgliederzahl unterstützte der Verein auch in den Folgejahren soziale Projekte und Weiterbildungen für Frauen in der Gemeinde. Darüber hinaus wurden u.a. die Evangelische Familienbildungsstätte, die drei Kitas und Gymnastikkurse für Frauen unterstützt, ebenso die Mädchenzuflucht Zora.
Am 8. Februar 2009 wurde anlässlich der Feier zum 100jährigen Bestehen die Arbeit des Vereins von der Stadt Wiesbaden mit der Stadtplakette in Gold gewürdigt.
2021 trat aus Altersgründen der langjährige, verdiente Vorstand zurück und der Verein stand kurz vor der Auflösung. Aus den Reihen des Frauenfrühstücks, eines seit mehr als 25 Jahren bestehenden offenen Angebots der Lutherkirchengemeinde, bildete sich im Februar 2022 der heutige Vorstand aus sieben Frauen.
Quellen: Pfarrer Herrmann-Otto Geißler, „Frauen der Lutherkirche Wiesbaden in den ersten vier Jahrzehnten 1908-1948“ Elle Krack-Roberg, „100 Jahre auf gutem Kurs“